Motivation und mögliche Anwendungen

Motivation

Bisher veröffentlichte Verfahren zur energetischen Bewertung von Industrierobotern weisen nur einen geringen Bezug zu realen Anwendungen auf und bieten somit nur einen geringen Mehrwert bei der Auswahl geeigneter Systeme. Die AutomatisierungsInitiative Deutscher Automobilhersteller (AIDA) als Anwender von Industrierobotern und das Fraunhofer IWU hatten seinerzeit ihre Bestrebungen gebündelt, um ein energetisches Bewertungssystem für 6-Achs-Industrieroboter zu entwickeln, das eine maximale Verbindung zur realen Anwendung aufweist und somit einen erheblichen Mehrwert für Anwender bei der Auswahl von Systemen für den automobilen Karosseriebau bietet. Darüber hinaus ermöglicht das "Energie-Zertifikat für Industrieroboter im Karosseriebau" die Identifikation von energetischen Vorteilen und Optimierungspotentialen einzelner Hersteller und Modelle. 

Entstehung des Zertifikats

In einem ersten Arbeitsschritt wurden Archive von über 1500 in der Serienproduktion von AIDA-Partnern eingesetzten Robotern mithilfe einer Clusteranalyse ausgewertet, um typische Bewegungsparameter zu identifizieren. Hierbei wurde bereits die Unterteilung in sechs Traglastklassen berücksichtigt.

Basierend auf den so gewonnenen Daten wurden traglastspezifische Referenzbahnen erstellt, die in ihrer Charakteristik mit realen Anwendungsfällen im automobilen Karosseriebau übereinstimmen. Um auch bei der Nutzlast des Roboters möglichst realitätsnahe Bedingungen zu schaffen, wurden Vergleichslasten definiert, die eine seriennahe Belastung des Roboters nachbilden. Um die Aussagekraft des erarbeiteten Zertifikats weiter zu erhöhen, wurden zwei weitere Bahnvarianten entwickelt, mit denen es möglich ist, Optimierungspotentiale bzgl. Performance und Energieeinsparung zu identifizieren.

Im Zeitraum 2014 bis 2015 folgten erste Validierungsmessungen, bei denen beispielhafte Robotermodelle verschiedener Hersteller vermessen und die ermittelten Daten ausgewertet wurden. Nach einer Anpassung der Referenzbahnen und einer erneuten beispielhaften Vermessung erfolgte die Veröffentlichung und die Bereitstellung der Verfahrensanweisung zur Eigenbewertung im Rahmen der "Fachkonferenz Automobilindustrie" am 27.10.2015 in Augsburg.

Ab 2021 wurde das Zertifikat leicht überarbeitet und ins Englische übersetzt. In der aktuellen Version (1.2.2) der Verfahrensanweisung und dem dazugehörigen Zertifikat ist das Präfix "AIDA" weggefallen. Es heißt nun "Energie-Zertifikat für Industrieroboter im Karosseriebau". Die Abwärtskompatibilität wurde sichergestellt, sodass alle bereits erstellten Zertifikate weiterhin ihre Gültigkeit behalten. 

Anwendungsbereiche

Das "Energie-Zertifikat für Industrieroboter im Karosseriebau" bezieht sich auf klassische 6-Achs-Knickarm-Roboter mit einer Traglast ab 5 kg. Die entstandenen Ergebnisdatenblätter mit den einzelnen Verbrauchswerten sind speziell auf Anwendungen im automobilen Karosseriebau ausgerichtet. Eine Datengenerierung ist auch bei abweichenden Systemen und anderen Einsatzgebieten möglich, wenn sich diese bzgl. Traglast und Arbeitsraum ähneln, was aber zu einer eingeschränkten Verwendbarkeit der Ergebnisse führen kann.